Verwitterung

Die Entwicklung einer Rendzina beginnt durch Verwitterung von Kalkstein, Dolomit oder Gipsgestein. Im Folgenden wird die Verwitterung des Kalksteins näher beschrieben. Kalkstein besitzt über 75 Masse-% Calcium- und Magnesiumcarbonat. Die Verwitterungsgeschwindigkeit ist je nach der Beschaffenheit der Kalksteine sehr unterschiedlich.

Die kreidezeitlichen Kalksteine im Buchenwald-reservat Jasmund, Rügen bestehen aus schwach verfestigter Schreibkreide. Sie werden rasch von Pflanzen besiedelt und bilden einen humosen Oberboden. Foto: Gerhard Milbert, Kuratorium Boden des Jahres

Die kreidezeitlichen Kalksteine im Buchenwald-Reservat Jasmund, Rügen, bestehen aus sehr schwach verfestigter Schreibkreide. Sie werden rasch von Pflanzen besiedelt und bilden einen humosen Oberboden. Foto: Gerhard Milbert, Kuratorium Boden des Jahres

Kalkstein verwittert, weil im Boden hohe Konzentrationen an Kohlendioxid durch Mikroorganismen und durch die Zersetzung organischer Substanz vorkommen und sich mit dem Sickerwasser verbinden. Die Verwitterung bewirkt eine Auswaschung des gelösten Carbonats (Kalkstein und Dolomit) sowie des Sulfats (Gips) in den tieferen Untergrund bzw. in das Grundwasser. Der nicht lösbare Rückstand, also wenige Prozent des ursprünglichen Gesteins sowie Staubpartikel aus Niederschlägen verbleiben als anorganische Komponente für die Bildung eines Oberbodens. Pionierpflanzen wie Flechten und Moose besiedeln Gesteinsoberflächen und bilden Streu. Streu ist das Ausgangsmaterial für die Humusbildung. Aus Lösungsrückstand und Humus beginnt die Bodenbildung und allmählich entsteht ein initialer, häufig lückiger und nur wenige Millimeter mächtiger humoser Oberboden. Diesen Entwicklungsstand nennen wir Rohboden (Syrosem).

Bereits nach wenigen Jahren siedeln sich auf den Tagebauflächen in Promoisel, Rügen, Moose, Flechten und auch Sträucher an. Ihre Streu wird zu stabilem Humus umgebaut und von Bodenorganismen in das kalkreiche Material der Schreibkreide eingearbeitet. Ein Rohboden Lockesyrosem mit einem filmartigen lückigen humosen Oberboden ensteht. Fot: gerhard Milbert, Kuratorium Boden des Jahres

Bereits nach wenigen Jahren siedeln sich auf den Tagebauflächen in Promoisel, Rügen, Moose, Flechten und auch Sträucher an. Ihre Streu wird zu stabilem Humus umgebaut und von Bodenorganismen in das kalkreiche Material der Schreibkreide eingearbeitet. Ein Rohboden (Lockersyrosem) mit einem filmartigen lückigen humosen Oberboden ensteht. Foto: Gerhard Milbert, Kuratorium Boden des Jahres

Die Verwitterung löst im Verlauf von Jahrtausenden mehr und mehr Carbonate auf, die Besiedlung durch höhere Pflanzen und Bodenorganismen nimmt zu. Aus dem Lösungsrückstand mit Mineralen und Oxiden, Staubeinträgen sowie aus Humus entwickelt sich nach und nach ein durchgehender und mächtiger belebter Oberboden mit stabilem Krümelgefüge.
Je nach Beschaffenheit des Ausgangsgestein ist die Verwitterung unterschiedlich schnell und tiefreichend. Kalkgesteine können aus massivem Festgestein (z.B. Massenkalke), aus Schuttdecken (z.B. Schotter kalksteinführender Alpenflüsse) oder auch aus Lockermaterial (Schreibkreide der Insel Rügen, Kalkmudden, Seekreide) bestehen und damit extrem unterschiedliche Oberflächen für die Verwitterung bieten. Die folgende Tabelle veranschaulicht diesen Zusammenhang.

KantenlängeAnzahl der WürfelOberfläche [m²]Kornart
1 m1 6kantiger Großblock
1 dm10360kantiger Stein
1 cm106600Mittelgrus
1 mm1096.000Grobsand
0,1 mm101260.000Feinsand
0,01 mm1015600.000Mittelschluff
0,001 mm [µm]10186.000.000Grobton

Vergrößerung der Oberfläche bei Verringerung der Partikelgröße und konstantem Volumen (Volumen aller Würfel = 1 m³)

Während ein Würfel (kantiger Großblock) mit 1 m³ Volumen eine Oberfläche von 6 m². besitzt, besteht Feinsand mit dem gleichen Volumen aus 10¹² Würfeln mit einer Oberfläche von 6 ha. Ein Kalkstein aus lockerem Feinsand verwittert erheblich schneller als ein massiver Kalkstein aus großen kantigen Blöcken (Säureverwitterungsgeschwindigkeit). Gleichzeitig kann das lockere Sediment Wasser für Pflanzen speichern und durchwurzelt werden und wird deshalb rasch von höheren Pflanzen besiedelt. Aufgrund dieser Gesteinseigenschaften unterscheiden wir 3 unterschiedliche Rendzina-Bildungen

Je nach Verfestigungsgrad des Kalksteins entstehen unterschiedliche Ausprägungen der Rendzina mit sehr unterschiedlichem Wasserspeichervermögen( vlnr): Lockerrendzina aus Schreibkreide, Gerüstrendzina aus Kalksteinschutt, Felsrendzina aus geklüftetem, massivem Kalkstein Fotos: R. Obst LUNG MV und Geologischer Dienst NRW

Je nach Verfestigungsgrad des Kalksteins entstehen unterschiedliche Ausprägungen der Rendzina mit sehr unuterschiedlichem Wasserspeichervermögen und Durchwurzelbarkeit (vlnr):
Lockerrendzina aus Schreibkreide, Felsrendzina aus Kalksteinschutt, Felsrendzina aus geklüftetem, massivem Kalkstein
Fotos: R. Obst, LUNG MV und Geologischer Dienst NRW

Die gelöste und abgeführte Kalkmenge kann je nach Niederschlagshöhe und Beschaffenheit des Kalkgesteins zwischen < 30 g/m² und > 300 g/m² jährlich betragen. Übrig bleibt nach der Kalklösung der Lösungsrückstand aus Mineralen und Oxiden (zwischen 1 und 25 Masse-% des Kalksteins). Dies können jährlich zwischen < 1 g pro m² und Jahr und > 3 kg pro m² sein. Parallel zur Verwitterung der Gesteins setzt die Humusanreicherung ein. Ein zwischen wenigen mm und > 30 cm mächtiger Oberboden kann sich so auf Festgestein in 10.000 Jahren entwickeln. In gut verwitterbaren und durchwurzelbaren lockeren Kalksteinen kann die Bodenentwicklung wesentlich rascher verlaufen. Siehe: K. Stahr et al (2020): Bodenkunde und Standortlehre, UTB 2967.