Die Entwicklung einer Rendzina beginnt durch Verwitterung von Kalkstein, Dolomit oder Gipsgestein. Im Folgenden wird die Verwitterung des Kalksteins näher beschrieben. Kalkstein besitzt über 75 Masse-% Calcium- und Magnesiumcarbonat. Die Verwitterungsgeschwindigkeit ist je nach der Beschaffenheit der Kalksteine sehr unterschiedlich.
Kalkstein verwittert, weil im Boden hohe Konzentrationen an Kohlendioxid durch Mikroorganismen und durch die Zersetzung organischer Substanz vorkommen und sich mit dem Sickerwasser verbinden. Die Verwitterung bewirkt eine Auswaschung des gelösten Carbonats (Kalkstein und Dolomit) sowie des Sulfats (Gips) in den tieferen Untergrund bzw. in das Grundwasser. Der nicht lösbare Rückstand, also wenige Prozent des ursprünglichen Gesteins sowie Staubpartikel aus Niederschlägen verbleiben als anorganische Komponente für die Bildung eines Oberbodens. Kalksteine können aus > 99 % Carbonaten bestehen, z.B. Kalksteine aus Skelettresten winziger Meeresorganismen wie in kreidezeitlichen wenig verfestigten Kalksteinen auf den Inseln Rügen und Møhn in der Ostsee. Dies verdeutlicht, dass an der Bildung der A-Horizonte stets Staubeinträge oder auch Reste früherer z.B. eiszeitlicher Überdeckungen beteiligt sind, die sich mit dem Material des Kalksteins vermischen.
Pionierpflanzen wie Flechten und Moose besiedeln Gesteinsoberflächen und bilden Streu. Streu ist das Ausgangsmaterial für die Humusbildung. Aus Lösungsrückstand und Humus beginnt die Bodenbildung und allmählich entsteht ein initialer, häufig lückiger und nur wenige Millimeter mächtiger humoser Oberboden. Diesen Entwicklungsstand nennen wir Rohboden (Syrosem).
Bereits nach wenigen Jahren siedeln sich auf den Tagebauflächen in Promoisel, Rügen, Moose, Flechten und auch Sträucher an. Ihre Streu wird zu stabilem Humus umgebaut und von Bodenorganismen in das kalkreiche Material der Schreibkreide eingearbeitet. Ein Rohboden (Lockersyrosem) mit einem filmartigen lückigen humosen Oberboden entsteht. Foto: Gerhard Milbert, Kuratorium Boden des Jahres
Die Verwitterung löst im Verlauf von Jahrtausenden mehr und mehr Carbonate auf, die Besiedlung durch höhere Pflanzen und Bodenorganismen nimmt zu. Aus dem Lösungsrückstand mit Mineralen und Oxiden, Staubeinträgen sowie aus Humus entwickelt sich nach und nach ein durchgehender und mächtiger belebter Oberboden mit stabilem Krümelgefüge.
Je nach Beschaffenheit des Ausgangsgestein ist die Verwitterung unterschiedlich schnell und tiefreichend. Kalkgesteine können aus massivem Festgestein (z.B. Massenkalke), aus Schuttdecken (z.B. Schotter kalksteinführender Alpenflüsse) oder auch aus Lockermaterial (Schreibkreide der Insel Rügen, Kalkmudden, Seekreide) bestehen und damit extrem unterschiedliche Oberflächen für die Verwitterung bieten. Die folgende Tabelle veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Kantenlänge | Anzahl der Würfel | Oberfläche [m²] | Kornart |
---|---|---|---|
1 m | 1 | 6 | kantiger Großblock |
1 dm | 103 | 60 | kantiger Stein |
1 cm | 106 | 600 | Mittelgrus |
1 mm | 109 | 6.000 | Grobsand |
0,1 mm | 1012 | 60.000 | Feinsand |
0,01 mm | 1015 | 600.000 | Mittelschluff |
0,001 mm [µm] | 1018 | 6.000.000 | Grobton |
Vergrößerung der Oberfläche bei Verringerung der Partikelgröße und konstantem Volumen (Volumen aller Würfel = 1 m³)
Während ein Würfel (kantiger Großblock) mit 1 m³ Volumen eine Oberfläche von 6 m². besitzt, besteht Feinsand mit dem gleichen Volumen aus 10¹² Würfeln mit einer Oberfläche von 6 ha. Ein Kalkstein aus lockerem Feinsand verwittert erheblich schneller als ein massiver Kalkstein aus großen kantigen Blöcken (Säureverwitterungsgeschwindigkeit). Gleichzeitig kann das lockere Sediment Wasser für Pflanzen speichern und durchwurzelt werden und wird deshalb rasch von höheren Pflanzen besiedelt. Aufgrund dieser Gesteinseigenschaften unterscheiden wir 3 unterschiedliche Rendzina-Bildungen:
Je nach Verfestigungsgrad des Kalksteins entstehen unterschiedliche Ausprägungen der Rendzina mit sehr unuterschiedlichem Wasserspeichervermögen und Durchwurzelbarkeit (vlnr):
Lockerrendzina aus Schreibkreide, Gerüstrendzina aus grusigem bis blockigem hohlraumreichem Schwemmschutt , Felsrendzina aus geklüftetem, massivem Kalkstein
Fotos v.l.n.r.: R. Obst, LUNG MV; R. Jochum, Landesamt für Umwelt Bayern und Geologischer Dienst NRW
Die gelöste und abgeführte Kalkmenge kann je nach Niederschlagshöhe und Beschaffenheit des Kalkgesteins zwischen < 30 g/m² und > 300 g/m² jährlich betragen. Übrig bleibt nach der Kalklösung der Lösungsrückstand aus Mineralen und Oxiden (zwischen 1 und 25 Masse-% des Kalksteins). Dies können jährlich zwischen < 1 g pro m² und Jahr und > 3 kg pro m² sein. Parallel zur Verwitterung der Gesteine setzt die Humusanreicherung ein. Ein zwischen wenigen mm und > 30 cm mächtiger Oberboden kann sich so auf Festgestein in 10.000 Jahren entwickeln. In gut verwitterbaren und durchwurzelbaren lockeren Kalksteinen kann die Bodenentwicklung wesentlich rascher verlaufen. Siehe: K. Stahr et al (2020): Bodenkunde und Standortlehre, UTB 2967.